Nachdem Freud mit der Veröffentlichung der Studien über Hysterie (1895), Der Traumdeutung (1900) und von Zur Psychopathologie des Alltagslebens (1901) die ersten Grundlagen für die psychoanalytische Theoriebildung gelegt hatte, versammelte er ab 1902 die sogenannte Mittwochsgesellschaft, Kollegen, welche sich für die psychoanalytische Methode interessierten, zu Vorträgen und Diskussionen am Mittwoch Abend in seinen Arbeitsräumen.
Seit 1908 nennt sich diese Gruppe ›Wiener Psychoanalytische Vereinigung‹. Am 12. Oktober 1910 konstituierte sich die WPV offiziell als Verein.
Im selben Jahr wurde auch die Internationale Psychoanalytische Vereinigung ins Leben gerufen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die psychoanalytische Technik so weit entwickelt, dass sie von „wilder“ Psychoanalyse unterschieden werden konnte und für Mitglieder, die sich Psychoanalytiker nennen wollten, auch formuliert werden konnte (vgl. „Ratschläge für den Arzt bei der psychoanalytischen Behandlung“, 1912). 1917 veröffentlichte Freud schließlich die Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, in welcher die Psychoanalyse nicht nur als Methode, sondern auch als ein durch methodische Arbeit mit dem Unbewussten entstandenes Theoriegebäude dargestellt wurde.
Nach dem ersten Weltkrieg und dem Internationalen Kongress in Budapest 1918 setzt eine Tendenz zur Systematisierung der Ausbildung zum Psychoanalytiker/zur Psychoanalytikerin ein, die 1920 in Berlin und 1924 in Wien zur Institutionalisierung der „Lehranalyse“ in den Lehrinstituten, als unabdingbare Forderung für die Ausbildung führte. Seit dieser Zeit kann sich nur Psychoanalytiker/Psychoanalytikerin nennen, wer sich neben dem theoretischen Studium und der eigenen klinischen Arbeit unter Supervision, auch selbst einer Lehranalyse unterzogen hat (›Eitingon Modell‹).
Von 1920 bis 1933 erlebte die Psychoanalyse eine starke Ausbreitung und wurde zu einer führenden Psychotherapieform. 1933 begann in Deutschland der Missbrauch und die Zerstörung der Psychoanalyse durch den Nationalsozialismus. Die Wiener Psychoanalytische Vereinigung wude 1938, einen Tag nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Österreich, aufgelöst. Bis auf zwei Mitglieder konnten alle ins Ausland fliehen und erlangten später, vor allem in Großbritannien und den Vereinigten Staaten, großen Einfluss im Bereich der Psychiatrie, Psychologie, Sozialarbeit und psychosomatischen Medizin. Zum Zeitpunkt der Auflösung umfasste die Wiener Psychoanalytische Vereinigung 68 Mitglieder. Sie betrieb nicht nur ein Lehrinstitut, sondern auch ein Ambulatorium zur Behandlung mittelloser Patienten.
Am 10. April 1946 konnte die Wiener Psychoanalytische Vereinigung unter August Aichhorn ihre Tätigkeit wieder aufnehmen und der 1910 gegründete Verein konnte wieder errichtet werden. Die WPV fand sofort Anschluss an die Internationale Psychoanalytische Vereinigung und setzte auch ihre Lehrtätigkeit fort. Seit Ende der 1960er Jahre nahm das Interesse an der Psychoanalyse wieder deutlich zu und die Zahl der Ausbildungskandidat:innen begann zu steigen.
Trotz (oder wegen) der hohen Ausbildungsstandards der WPV hat das Interesse an der psychoanalytischen Ausbildung in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen.
Durch die enge Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie ist eine universitäre Anbindung der psychoanalytischen Ausbildung gewährleistet.
Die wissenschaftlichen Aktivitäten der WPV haben im Laufe der letzten Jahrzehnte - auch auf internationaler Ebene - deutlich zugenommen.
Aus der seit 1991 betriebenen Beratungsstelle für Patient:innen entstand das „Wiener Psychoanalytische Ambulatorium“. Die feierliche Wiedereröffnung des 1938 liqidierten Ambualtoriums der WPV fand 1999 statt.
Detailierte Informationen zur Geschichte des Ambulatoriums finden Sie hier.
Die Wiener psychoanalytische Vereinigung ist nach wie vor der mitgliederstärkste psychoanalytische Verein in Österreich. Im Rahmen der fachspezifischen psychoanalytischen Ausbildung besteht eine Kooperation mit dem ›Wiener Arbeitskreis für Psychoanalyse‹. Diese führte 2006 zur Gründung einer gemeinsamen ›Wiener Psychoanalytische Akademie‹, einem auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglichen Zentrum für Psychoanalyse und ihren Anwendungen. Auch die jährlich stattfindenden Sigmund Freud Vorlesungen werden über die Psychoanalytische Akademie abgehalten.